GKV-Finanzentwicklung

Krankenkassen trotz Gesamtüberschuss finanziell weiter unter Druck

09.12.2025·Zum Abschluss des 3. Quartals 2025 weist die Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenkassen einen Überschuss von insgesamt 3,6 Milliarden Euro aus. Dennoch bleibt der finanzielle Druck auf die Kassen hoch. Die Ausgaben steigen mit 7,8 Prozent deutlich stärker als die Beitragseinnahmen mit 5,3 Prozent. Zudem müssen die Krankenkassen aus den Überschüssen vorrangig ihre Rücklagen auffüllen. Trotz des positiven Quartalabschlusses sind deshalb teils deutliche Beitragssatzanhebungen zum Jahreswechsel zu erwarten.

Die Einnahmen der 94 gesetzlichen Krankenkassen betrugen in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 265,6 Milliarden Euro. Ihnen standen Ausgaben in Höhe von 262,0 Milliarden Euro gegenüber. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz entsprach Ende September 2,94 Prozent und lag damit deutlich oberhalb des Ende Oktober 2024 vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) für das Jahr 2025 festgelegten durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 2,5 Prozent. Unberücksichtigt blieb bei der Festlegung des BMG, dass viele Krankenkassen gezwungen sind, einen höheren Zusatzbeitragssatz zu erheben, als zur Deckung der laufenden Ausgaben nötig wäre, um ihre Finanzreserven auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestniveau aufzufüllen.
Spahn und Lauterbach haben Kassen ausbluten lassen
Das Problem der zu geringen Rücklagen begleitet die Kassen schon seit Jahren und ist politisch bedingt. Ende 2018 wiesen die Krankenkassen noch Rücklagen von rund 21 Millairden Euro aus. Dies weckte Begehrlichkeiten in der Politik und insbesondere beim damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Mit dem Slogan "die Krankenkassen sind keine Sparkassen" zog er durch die Medienlandschaft und nutzte das Geld der Beitragszahler für teure Reformen zu Gunsten der Leistungserbringer. Drei Jahre später waren die Rücklagen bereits auf 11 Milliarden Euro gesunken, was einer jährlichen Entnahme von knapp 3,5 Milliarden Euro entspricht. Dies ist mehr Geld als die aktuell von Gesundheitsministerin Nina Warken (ebenfalls CDU) geplanten Darlehen zur Beitragssatzstabilisierung an die Krankenkassen.

Gegen die Warnungen der Kassen und ihrer Verbände hat die Gesundheitspolitik seit Amtsantritt von Spahn im Jahr 2018 rund 16 Milliarden Euro aus den Rücklagen der Krankenkassen für Reformvorhaben genutzt, die strukturell nicht zu mehr Effizienz geführt haben und damit ausschließlich auf der Kostenseite zu verbuchen sind. Fortgesetzt wurde diese Politik von Karl Lauterbach (SPD) ab 2021. Beiden Ministern war es hierdurch möglich, teure Pläne zu Lasten der Beitragszahler umzusetzen, ohne dass die Ausgaben hiefür an einem entsprechend höheren Beitragssatz ablesbar waren. Der Preis war das Ausbluten der Krankenkassen bis zu einem Tiefpunkt der Rücklagen (nach der Amtszeit beider Minister) Anfang 2025.

Ende des 1. Quartals 2025 beliefen sich die Rücklagen aller Kassen auf zusammen rund 3,6 Milliarden Euro bzw. 0,1 Monatsausgaben. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben wurde also bereits um 50 Prozent unterschritten. Ein Goßteil der Mehreinnahmen aus den in der Folge angehobenen Beitragssätzen mussten und müssen die Krankenkassen deshalb zur Auffüllung der Reserven bis zum gesetzlichen Mindestmaß aufwenden. Mitte 2025 betrug die Gesamtreserve hierdurch wieder 4,6 Milliarden Euro (0,16 Monatsausgaben) und zum 30.09.2025 nun 5,4 Milliarden Euro bzw. 0,19 Monatsausgaben. Trotz Überschüssen befinden sich die Krankenkassen damit jedoch auch weiterhin unter erheblichem finanziellen Druck.
Ergebnis des Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15.01.2025 über eine Liquiditätsreserve von rund 5,7 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete bis zum 3. Quartal 2025 ein buchhalterisches Defizit von 6,7 Milliarden Euro. Der größere Teil dieses Defizits ist saisonüblich: So fließen die Ausgaben des Gesundheitsfonds als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken und insbesondere im 4. Quartal aufgrund der Verbeitragung von Jahressonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld höher ausfallen.

Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,3 Prozent. Verantwortlich für die gute Einnahmenentwicklung im 1.-3. Quartal sind insbesondere die deutlich gestiegenen beitragspflichtigen Löhne und Gehälter. Zwischen Ende 2022 und Ende 2024 konnten Arbeitgeber ihren Beschäftigten steuer- und beitragsfreie Inflationsausgleichsprämien gewähren, die nun vielfach durch höhere reguläre - und damit beitragspflichtige - Lohnsteigerungen abgelöst werden.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Bis einschließlich des 3. Quartals verzeichneten die Krankenkassen in 2025 einen weiterhin sehr dynamischen Anstieg der Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,8 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 8,0 Prozent (18,6 Milliarden Euro) und damit ähnlich stark wie im Jahr 2024 und weiterhin deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Die Verwaltungskosten stiegen um 3,2 Prozent (301 Millionen Euro).

Stationäre Behandlung
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind im 1. bis 3. Quartal um 9,9 Prozent bzw. 7,4 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit den maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Der prozentuale Zuwachs iegt mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt der jährlichen Zuwächse im Zeitraum 2013-2024 und übertrifft die Dynamik im bisherigen Rekordjahr 2024. Ursächlich sind vor allem hohe Vergütungssteigerungen sowie die Refinanzierung bisher nicht abgebildeter Tarifkostensteigerungen aus dem Jahr 2024. Zudem tragen stark steigende Aufwendungen für psychiatrische Behandlungen (14,3 Prozent bzw. 1,08 Milliarden Euro) und die per Selbstkostendeckungsprinzip finanzierten Pflegepersonalkosten (13,3 Prozent bzw. 2,19 Milliarden Euro) zum starken Ausgabenanstieg im Krankenhausbereich bei.

Arzneimittel
Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln stiegen um 6,0 Prozent bzw. 2,5 Milliarden Euro und bleiben damit gegenüber dem 1. Halbjahr nahezu unverändert. Innerhalb der Arzneimittel verzeichnen die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung deutlich überdurchschnittliche Zuwächse (25,0 Prozent bzw. 559 Millionen Euro). Die Arzneimittelausgaben steigen damit stärker als im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2024.

Ambulante Behandlung
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. bis 3. Quartal um 7,6 Prozent bzw. 2,9 Milliarden Euro gestiegen. Zwar hat sich der Ausgabenzuwachs gegenüber dem ersten Halbjahr 2025 (7,8 Prozent) geringfügig abgeschwächt, dennoch liegt das Wachstum der ersten neun Monate annähernd doppelt so hoch wie das durchschnittliche jährliche Wachstum seit 2013. Zur hohen Dynamik tragen neben einem um 3,85 Prozent gestiegenen Orientierungspunktwert (Berechnungsbasis für die Honorare) auch deutlich gestiegene Ausgaben für das ambulante Operieren (18,8 Prozent bzw. 365 Millionen Euro) bei. Ursache sind vor allem die 2024 eingeführten Eingriffe mit spezieller sektorengleicher Vergütung (Hybrid-DRGs), die u. a. zu einer Ambulantisierung bisher häufig stationär durchgeführter Behandlungen führen (rund 306 Millionen Euro). Die Aufwendungen für extrabudgetär vergütete Psychotherapeutische Leistungen verzeichnen mit 9,3 Prozent (250 Millionen Euro) eine Beschleunigung gegenüber dem 1. Halbjahr (8,7 Prozent). Bei der Interpretation der Aufwüchse ist zu berücksichtigen, dass die Buchungen im ärztlichen Bereich im 1.-3. Quartal stets auch von Schätzungen geprägt sind, da insbesondere für das dritte Quartal Abrechnungsdaten nur in sehr geringem Umfang vorliegen. Die vorläufigen Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2025 werden Ende Februar 2026, die endgültigen Finanzergebnisse der GKV Mitte Juni 2026 vorliegen.

Medizinische Behandlungspflege
Ein stark überdurchschnittliches Wachstum von 12,8 Prozent (bzw. 1,0 Milliarden Euro) verzeichnet der Bereich der medizinischen Behandlungspflege, der bereits 2024 (11,8 Prozent) und 2023 (12,9 Prozent) stark überdurchschnittliche Anstiege verzeichnete. Dazu trägt insbesondere das kräftige Wachstum der Aufwendungen für die außerklinische Intensivpflege (16,2 Prozent bzw. 445 Millionen Euro) bei, wenngleich auch die restlichen Aufwendungen in diesem Bereich mit 11,0 Prozent (559 Millionen Euro) dynamisch anwachsen.

Vorsorge und Rehabilitation
Die Ausgaben für Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, die nach den pandemiebedingten Einbrüchen des Jahres 2020 im Schnitt um rund 10,5 Prozent pro Jahr wuchsen, entwickelten sich von Januar bis September 2025 mit einer Steigerung von 10,7 Prozent bzw. 373 Millionen Euro ungebrochen dynamisch fort. Auch die Aufwendungen für Behandlungen durch Heilmittelerbringer, welche nach pandemiebedingten Rückgängen des Jahres 2020 jedes Jahr um durchschnittlich 10,6 Prozent bzw. um insgesamt 4,4 Milliarden Euro gestiegen sind, verzeichnen im 1. bis 3. Quartal 2025 mit 10,0 Prozent bzw. 992 Millionen Euro erneut eine sehr dynamische Entwicklung. Dynamisch ist dabei die Entwicklung der Aufwendungen für Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung der Heilmittelerbringer (sog. "Blankoverordnung"), für die in den ersten neun Monaten 2025 Aufwendungen von 315 Millionen Euro in der Physiotherapie und 242 Millionen Euro in der Ergotherapie verzeichnet wurden.

Fahrkosten
Auch die Aufwendungen für Fahrkosten verzeichnen mit 10,1 Prozent (720 Millionen Euro) eine zweistellige Wachstumsrate. Ursächlich dafür sind insbesondere die Aufwendungen für Fahrten mit Rettungswagen und Notarztwagen, die um 11,0 Prozent bzw. 503 Millionen Euro steigen, während sich die restlichen Aufwendungen in diesem Bereich mit 8,5 Prozent bzw. 217 Millionen Euro etwas moderater entwickeln.

Verwaltungskostenanstieg fällt moderat aus

Die Verwaltungskosten der Krankenkassen entwickeln sich sowohl im Teilbereich der sächlichen Verwaltungskosten (3,5 Prozent bzw. 132 Millionen Euro) als auch der persönlichen Verwaltungskosten (4,1 Prozent bzw. 332 Millionen Euro) wesentlich moderater als die Leistungsausgaben. Das Wachstum der Nettoverwaltungskosten (inkl. Verwaltungskostenerstattungen) von 3,2 Prozent ist weniger als halb so hoch wie das Wachstum der Leistungsausgaben.

Zusatzbeitragssätze für 2026

Auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises legt das BMG jährlich den "durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz" (vgl. "Links zum Thema") für das Folgejahr fest. Zu erfolgen hat diese Festlegung nach § 242a Absatz 2 SGB V und Veröffentlichung im Bundesanzeiger jährlich bis zum 01. November. Nach der verspäteten Festlegung unter Karl Lauterbach (SPD) im Jahr 2024 für 2025 am 07.11.2024 erfolgte nun auch die Veröffentlichung unter Nina Warken (CDU) erst nach der gesetzlichen Frist am 10.11.2025.

Hiernach wird der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz für 2026 2,9 Prozent betragen. Schon Ende September 2025 wurde dieser Wert jedoch vom tatsächlich erhobenen Zusatzbeitragssatz im Mittel aller Kassen mit 2,94 Prozent überschritten. Nicht beücksichtigt sind bei der Festlegung durch das BMG die Mittel zur Auffüllung der Rücklagen bis zum gesetzlichen Minimum. Für den bevorstehenden Jahreswechsel 2025/26 sind daher zahlreiche Beitragsanhebungen bei den Krankenkassen zu erwarten. Diese werden jeweils aktuell im Beitragsvergleich (vgl. "Links zum Thema") ausgewiesen.


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