Norddeutscher Rundfunk|03.08.2023

PRESSEMITTEILUNG

NDR Umfrage in Kinderkliniken: Patientengefährdung durch Arbeitsüberlastung

Hamburg (kkdp)·Nach einer Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegefachkräften geben rund 40% der Teilnehmer an, dass es aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in Kinderkliniken schon einmal zu einer Patientengefährdung gekommen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Umfrageteilnehmer in einer kleinen und mittelgroßen Klinik oder einer Universitätsklinik arbeiten. Die Umfrage ist nicht repräsentativ.

Viele der 630 befragten Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachkräfte schreiben, dass es an Personal fehle - nicht nur im pflegerischen, sondern auch im ärztlichen Bereich. Kinder könnten nicht zeitgerecht und nicht gründlich genug behandelt werden. Darüber hinaus komme es immer wieder zu einer Fehl- oder Überdosierung von Medikamenten.

Die Arbeitsbelastung in den Kinderkliniken ist nach diesen Angaben sehr hoch: 34% aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen mehrmals pro Woche über ihre persönliche Belastungsgrenze hinaus. Weitere 41% tun dies mehrmals im Monat. Zudem sagen fast zwei Drittel der Teilnehmer der nicht repräsentativen Umfrage, dass sich ihre persönlichen Arbeitsbedingungen in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert haben. Vergleichbare Umfragen, die sich ausschließlich mit der Pädiatrie befassen, gibt es bislang kaum.

Wie ernst die Lage ist, zeigt auch eine Diskussion, die das ARD Politikmagazin "Panorama" (NDR) mit sechs Leiterinnen und Leitern der größten Kinderkliniken aus Hannover, Göttingen, Berlin, Essen, Leipzig und München geführt hat. Sie bestätigen, dass ihre Mitarbeitenden ausbrennen. Nicht nur Pflegekräfte, auch Ärztinnen und Ärzte verlassen demnach zunehmend die Kindermedizin. Die Lage spitzt sich seit zehn Jahren zu, erklärt Prof. Dr. Gesine Hansen von der Medizinischen Hochschule Hannover. "Im Gesundheitssystem stehen die Kinder tatsächlich eher in den letzten Rängen, weil Kindermedizin nicht wirtschaftlich ist und die Ökonomie in dem aktuellen Gesundheitssystem einfach eine sehr große Rolle spielt." Die Gruppe ist sich einig, es brauche eine grundlegende Strukturreform, die die Bedürfnisse von Kindern in den Mittelpunkt rückt und honoriert. "Wenn das nämlich nicht gelingt, dann wird es dazu führen, dass aufgrund des wachsenden ökonomischen Drucks immer mehr Kliniken vom Netz gehen, aber unstrukturiert. Das heißt, es könnte auch eine treffen, die man eigentlich braucht", befürchtet Prof. Dr. Marcus Mall von der Charité in Berlin.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bestätigt gegenüber "Panorama", dass die Kindermedizin chronisch unterfinanziert sei. Im Rahmen der Krankenhausreform soll die Kindermedizin zukünftig Sonderzuschläge erhalten. Wie hoch diese sein werden, ist jedoch noch unklar. Auf Nachfrage von "Panorama" kritisiert der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hingegen, die Krankenhausreform dürfe nicht zu Lasten der Beitragszahlenden gehen, die bereits jetzt den Löwenanteil der Krankenhausfinanzierung stemmten.

Den Online-Fragebogen von NDR und Hartmannbund - Verband der Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V. - haben 630 Medizinerinnen und Mediziner sowie Pflegefachkräfte aus ganz Deutschland ausgefüllt. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, liefert aber dezidierte Einblicke in die Arbeitsbedingungen in der Kindermedizin.

Unterstützt wurde die Befragung vom Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e.V., dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), dem Pädiatrischen Intensivnetzwerk (PIN), einem Verbund von mehr als 40 Kinderkliniken Norddeutschlands, sowie dem PIN Bettenmonitor, einer angeschlossenen Initiative zur besseren Koordination von Bettenkapazitäten in der Kinder- und Jugendmedizin.

Der Panorama-Film "Notfall Kinderklinik" ist ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen.

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