Ausgaben um 50 Prozent gestiegen

"GKV-Tag" weist auf prekäre Finanzentwicklung bei den Krankenkassen hin

27.03.2024·Binnen zehn Jahren sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um rund 50 Prozent auf über 310 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen. Ursache hierfür sind neben allgemeinen Kostensteigerungen vor allem teure Reformprojekte und immer mehr gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die vom Staat auf die Krankenkassen übertragen werden. Mit dem ersten "GKV-Tag" weisen die Krankenkassen nun auf ihre prekäre Finanzsituation hin und fordern von der Gesundheitspolitik mehr Verantwortung und Weitsicht.

Mit dem ersten "GKV-Tag" haben die Krankenkassen und ihre Verbände am Dienstag (26.03.2024) die Notwendigkeit einer gerecht finanzierten und nachhaltig funktionierenden GKV für die Gesellschaft betont. Als Solidargemeinschaft vereine sie rund 90 Prozent der Bevölkerung, die auf diese Weise füreinander einstehe: Gesunde für Kranke, Junge für Alte, Alleinstehende für Familien, Besserverdienende für Geringverdienende. Selbstverständlich unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Glauben, sexueller Orientierung oder Vorerkrankung.

Gerade in Zeiten großer Verunsicherung und Risiken sei eine stabile gesundheitliche Versorgung zentral für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft, so der GKV-Spitzenverband. Die Menschen könnten sich darauf verlassen, dass die GKV für sie da ist, wenn es ernst wird. Damit dies so bleibe, müsse die Finanzierung des solidarischen Gesundheitswesens wieder auf solide Beine gestellt werden. Dies erfordere eine verantwortungsvolle und weitsichtige Politik, die finanzielle Verantwortung fair verteilt, statt immer mehr finanzielle Belastungen für die GKV zu schaffen.

GKV vor fundamentaler Herausforderung

© AOK-BV, BMG
GKV-Ausgaben 2014 bis 2023 (JPG, 156 KB)
In diesem Jahr werden die gesetzlichen Krankenkassen für die Versorgung ihrer gut 73 Millionen Versicherten etwa 314 Milliarden Euro ausgeben. Gegenüber 2014 (205,5 Milliarden Euro) entspricht dies einer Ausgabensteigerung von über 50 Prozent. Schon seit Jahren steigen die Ausgaben der Krankenkassen stärker als die Einnahmen, so der GKV-Spitzenverband. Trotzdem seien keinerlei Anzeichen zu erkennen, dass die Politik die daraus resultierende Beitragsspirale stoppen möchte. Im Gegenteil, weitere Honorarerhöhungen für niedergelassene Ärzte, zusätzliche Gelder für Kliniken und höhere Preise für Arzneimittel sind von der Politik bereits angekündigt worden - und bezahlen müssten das die Versicherten und Arbeitgebenden über ihre Krankenkassenbeiträge.

Weitere Verschiebung der Finanzverantwortung

So werde auch mit dem Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) ein fatales Muster der Verschiebung von Finanzverantwortung in Richtung GKV fortgesetzt, kritisiert der AOK-Bundesverband. Statt auf passgenaue und sektorenübergreifende regionale Lösungsansätze in der ambulanten Gesundheitsversorgung setze das GVSG, wie zuvor der Entwurf der Krankenhausreform (KHVVG), auf die systematische Verschiebung staatlicher Aufgaben und Finanzverantwortlichkeiten in Richtung GKV. "So sollen die Beitragszahlenden künftig auch noch für die Finanzierung von Medizin-Studienplätzen geradestehen", erklärt Verbandschefin Dr. Carola Reimann. Seit Jahren kritisieren die Krankenkassen die Milliardenlast dieser "versicherungsfremder Leistungen". Würde der Bund diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben entsprechend aus Steuergeldern erstatten, wären Beitragsanhebungen unnötig (vgl. "Links zum Thema").

Zusatzbeiträge werden weiter steigen

Die GKV verwaltet treuhänderisch das Geld der Versicherten und Arbeitgebenden, die von ihrem Lohn jeden Monat einen beträchtlichen Teil an die Krankenkassen zahlen, damit davon die notwendigen medizinischen Leistungen finanziert werden können. Was Ärzte oder Apotheker mehr bekommen wollen, so der GKV-Spitzenverband, müssten die Supermarktkassiererin und der LKW-Fahrer mit ihren Krankenkassenbeiträgen zusätzlich finanzieren. Der Ruf nach mehr Geld von den Krankenkassen sei damit auch ein Ruf nach höheren Zusatzbeiträgen für 73 Millionen gesetzlich Versicherte und ihre Arbeitgebenden:

Wenn durch die Krankenhausreform aus dem Gesundheitsfonds zusätzliches Geld an die Krankenhäuser fließt, geht weniger Geld aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen. Damit die Krankenkassen die notwendige medizinische Versorgung ihrer Versicherten trotzdem finanzieren können, müssen sie die Zusatzbeiträge erhöhen.

Wenn die verhandelten Arzneimittelpreise künftig geheim gehalten werden, dann können Ärzte nicht mehr erkennen, ob etwa ein vergleichbares Produkt preiswerter oder teurer ist. Das verhindert, dass sie wirtschaftlich verordnen können. Um den daraus folgenden Anstieg der Arzneimittelausgaben finanzieren zu können, müssen die Zusatzbeiträge steigen.

Wenn die Honorare für die niedergelassenen Ärzte stärker als bisher steigen sollen, dann müssen zur Gegenfinanzierung der Mehrausgaben die Zusatzbeiträge steigen.

Die politischen Rahmenbedingungen müssten so gestaltet werden, dass die GKV, die seit über 140 Jahren die flächendeckende gesundheitliche Versorgung maßgeblich prägt und gestaltet, dies auch in Zukunft leisten kann. Dies nütze auch direkt den Privatversicherten, denn auch ihnen kommen die von der GKV finanzierten und organisierten Versorgungsstrukturen zugute.
Weitere GKV-Tage
Mit dem "GKV-Tag" wollen die 95 gesetzlichen Krankenkassen gemeinsam auf die kritische Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung hinweisen. Es gehe nicht darum, ob die eine oder andere Krankenkasse ihren Zusatzbeitragssatz etwas mehr oder etwas weniger stark anheben musste oder wird, so der gemeinsame GKV-Spitzenverband. Es gehe darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, statt zu spalten und ein insgesamt gut funktionierendes Gesundheitssystem als gemeinsames und zentrales Anliegen weiter zu entwickeln, statt es kaputtzureden. Einmal im Quartal wollen die Krankenkassen hierauf künftig mit dem GKV-Tag hinweisen.


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