Große Krankenhausreform (KHVVG)

Höhere Zusatzbeiträge der Kassen sollen ausbleibende Steuergelder ersetzen

20.03.2024·Der Umbau der Krankenhausversorgung in Deutschland soll nach den Vorstellungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) alleine von den Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert werden. Dies geht aus dem Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hervor. Selbst über Jahre nicht eingehaltene Zahlungsverpflichtungen der Länder sollen nun statt aus Steuergeldern indirekt aus Beitragsgeldern nachfinanziert werden. Die Folge wären steigende Zusatzbeiträge der Krankenkassen auf breiter Front.

Die Empörung ist kassenartenübergreifend groß. Die von den Krankenkassen grundsätzlich begrüßte Krankenhausreform Lauterbachs schlage durch den nun vorgelegten Gesetzentwurf eine deutlich falsche Richtung ein. Es drohe die Entkoppelung der Finanzierungsreform von der Strukturreform, so der AOK-Bundesverband. Während die Krankenkassen zu kurzfristigen Finanzhilfen an die Krankenhäuser verpflichtet würden, werde die Konkretisierung der Strukturreform, also die Verbesserung der Versorgung, durch Auslagerung in eine Rechtsverordnung auf "die lange Bank geschoben". Im Entwurf genannte Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe ab 2025 seien damit "komplett illusorisch", so AOK-Verbandsvorständin Dr. Carola Reimann.

Krankenkassen kritisieren Untätigkeit der Bundesländer

Auch der GKV-Spitzenverband sieht die Gefahr, dass die Ziele der Krankenhausreform mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu stark verwässert und am Ende nicht erreicht werden. Es sei dringend notwendig, dass die Leistungsstrukturen der Krankenhäuser nach bundeseinheitlichen Kriterien verbindlich definiert werden. Von einer damit verbesserten Versorgungsqualität würden Patienten künftig klar profitieren. Aber, so Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin beim GKV-Spitzenverband, im vorliegenden Gesetzentwurf seien zunächst nur sehr grobe Leistungsgruppen beschrieben: "Für weitergehende, durchgreifende Änderungen mit einem echten Effekt für die Qualitätssicherung und die Finanzierung solle es erst später eine Rechtsverordnung geben, die dann auf die Zustimmung der Bundesländer angewiesen ist. Die Bundesländer haben sich jedoch bisher als die größten Verhinderer nachhaltiger Veränderungen der Versorgungsstrukturen gezeigt. Alle Erfahrungen der Vergangenheit lassen leider erwarten, dass damit nachhaltige Strukturveränderungen ausgebremst werden (...) Ergebnis der langjährigen Untätigkeit der Bundesländer in Verbindung mit den sich ändernden medizinischen Notwendigkeiten ist, dass es nicht für alle Angebote der Häuser an jedem Standort einen medizinischen Bedarf gibt. Deshalb ist es inhaltlich falsch und unnötig teuer für die Beitragszahlenden, dass diese veralteten Strukturen nach dem Gießkannenprinzip gefördert werden sollen."

Auch bei der geplanten Vorhaltefinanzierung seien zahlreiche Ausnahmeregelungen für die Bundesländer geplant, kritisiert Stoff-Ahnis: "Bisher haben es die Bundesländer nicht hinbekommen, ihre Krankenhausstrukturen an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und umzubauen. Und sie zahlen die notwendigen Investitionen bis heute nicht in der verpflichtend vorgegebenen Höhe. Auch dafür gibt es in dem Gesetzentwurf keine Lösung. Wir sehen nicht, warum sich dies ändern sollte..."

Etikettenschwindel: Bund und Länder vergreifen sich an Beitragsgeldern

Harsche Kritik übt der GKV-Spitzenverband zudem an der Finanzierung des geplanten Transformationsfonds. Mit ihm hätten Bund und Länder gemeinsam die Notwendigkeit betont, die Krankenhausstrukturen grundlegend zu ändern. Stoff-Ahnis: "Die Behauptung, dass die Hälfte der Kosten von insgesamt 50 Milliarden Euro der Bund trägt, ist jedoch ein Etikettenschwindel. Tatsächlich ist vorgesehen, dass die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen diese zusätzlichen Ausgaben über Zusatzbeiträge bezahlen. Doch originär staatliche Aufgaben sind vom Bund und von den Ländern zu finanzieren. Der Auf- und Umbau der gesundheitlichen Infrastruktur ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Für den Transformationsfonds soll die GKV ab 2026 über 10 Jahre hinweg jährliche Mittel von 2,5 Milliarden Euro verpflichtend bereitstellen. Die Hauptlast des Transfers würde sich damit erst nach der nächsten Bundestagswahl auf die Beitragssätze auswirken.

BKK-Verband: Verfassungswidrige Zweckentfremdung von Beiträgen

Auch aufgrund der fehlenden finanziellen Reserven durch den jüngsten Rücklagenabbau bei den Krankenkassen würde sich die Finanzierungslast der vorgeschlagenen Reform laut BKK Dachverband unmittelbar in steigenden Beitragssätzen niederschlagen. "Damit würden die Versicherten erneut Opfer einer verfassungswidrigen Zweckentfremdung von Beitragsmitteln zur Finanzierung originärer Staatsaufgaben. Die Sozialkassen sollen Betriebskosten finanzieren und nicht die Defizite von Infrastrukturreformen ausgleichen. Spätestens die Gerichte müssen dies stoppen", mahnt Franz Knieps, Verbandschef des BKK Dachverbands.

Die Rücklagen der Kassen haben sich zuletzt auch durch Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) aus 2022 stark vermindert. Ende 2024 werden sie voraussichtlich noch rund 6 Milliarden Euro betragen (2018: 21 Milliarden Euro) und damit gerade das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 0,2 Monatsausgaben erreichen (vgl. "Links zum Thema").


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