Finanzen, Prüfverfahren, Digitalisierung

Aufsichtsbehörde veröffentlicht Report und richtet Mahnung an Politik

26.08.2025·Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hat seinen Tätigkeitsbericht für 2024 veröffentlicht und richtet in Bezug auf die Finanzlage der Kranken- und Pflegeversicherung eine deutliche Mahnung zum zeitnahen Handeln an die Bundesregierung.

Mit dem "BAS-Report" gibt das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) Einblick in seine Tätigkeit als Aufsichtsbehörde und durchführende Stelle mehrerer Finanzfonds der Sozialversicherung. Schwerpunkte des Reports für 2024 sind statistische Daten zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Entwicklung von Eingaben der Versicherten sowie zahlreiche Themen des Prüfverfahrens. Auch zum Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Verlagerung von Sozialdaten in die Cloud nimmt das BAS Stellung.

BAS-Chef mahnt: Politik muss "zeitnah" Lösungen entwickeln

Der erstmals unter dem neuen Namen "BAS-Report" veröffentlichte Tätigkeitsbericht des BAS erscheint im Kontext einer prekären Finanzsituation im Gesundheitswesen.
© BAS
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) stehen unter erheblichem Druck. So sei der Finanzhilfeantrag an den Ausgleichsfonds, den eine Pflegekasse Anfang dieses Jahres stellen musste, ein "Weckruf" an die Politik gewesen. In der GKV mussten Krankenkassen ihre Zusatzbeitragssätze unterjährig zum Teil mehrfach anheben. Ein Ende sei dabei nicht abzusehen. "Die demografischen Veränderungen und die steigenden Anforderungen an die Pflege- und Gesundheitsversorgung stellen die Systeme vor immense Herausforderungen und erfordern eine zukunftsorientierte Strategie und konsequentes Handeln", betont daher BAS-Präsident Frank Plate. Er ruft die politisch Verantwortlichen dringend dazu auf, zeitnah nachhaltige Lösungen für die Kranken- und Pflegeversicherung zu entwickeln. "Weitere Verzögerungen werden sonst das Vertrauen in unser Sozialversicherungssystem ernsthaft gefährden", warnt Plate.

Der vollständige BAS-Report ist unter "Links zum Thema" verlinkt. Einige Beispiele für die Tätigkeit des BAS sind:

Aus der Aufsichtstätigkeit im Bereich GKV

Umgehung eines Outsourcings durch Arbeitnehmerüberlassung

Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Auslagerung von sachbearbeitenden Tätigkeiten einer Krankenkasse an einen privaten Dienstleister als rechtswidrig bewertet. Nun hat das BAS festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen Outsourcingverträge als Arbeitnehmerüberlassungsverträge deklariert haben, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung vorlägen. In einem Fall habe die Krankenkasse bis zu 50 Beschäftigte des Dienstleisters mit sachbearbeitenden Tätigkeiten beschäftigt, die nicht hätten ausgegliedert werden dürfen, so der Report. Der Vertrag sei nach einem aufsichtsrechtlichen Beratungsverfahren durch den Träger gekündigt worden. Das BAS werde dieser Thematik auch künftig besondere Aufmerksamkeit widmen.

Unzulässige Empfehlung von Leistungserbringern

Einschreiten musste das BAS auch im Fall einer unzulässigen Aufgabenauslagerung durch gesetzliche Krankenkassen im Hinblick auf Verträge mit einem Dienstleister, auf den die Krankenkassen die Beratung ihrer Versicherten sowie die konkrete Steuerung zu Fachärzten auslagerten. Unter Hinweis darauf, dass es nicht Aufgabe einer Krankenkasse sei, Versicherte zu bestimmten Leistungserbringern zu steuern, habe das BAS im Falle einer Krankenkasse die Beendigung des rechtswidrigen Vertrages erreicht. Mit weiteren Krankenkassen stehe das BAS in Kontakt, damit solche Verträge beendet würden.

Mitgliederinformationen zum Zusatzbeitragssatz

Hebt eine Krankenkasse ihren Zusatzbeitragssatz an, hat sie ihre Mitglieder hierüber zu informieren. Diese Information ist gesetzlich normiert. In der zweiten Jahreshälfte 2024 und zu Beginn des Jahres 2025 entsprachen einige der Mitgliederinformationen von Krankenkassen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Vielfach hätten die Kassen die Anhebung des Zusatzbeitrages mit werblichen Aussagen zu den Leistungen ihrer Krankenkasse relativiert oder im Kleingedruckten versteckt. Bei Beschwerden der Versicherten weise das BAS im Einzelfall darauf hin, dass sich die Kündigungsfrist bei unzureichenden Versicherteninformationen verschiebt. Hiervon unberührt bleibt die Wirksamkeit der Erhöhung des Zusatzbeitrages.

Rechtsmissbräuchlicher Wechsel von der PKV in die GKV

Neben einem legalen Wechsel von der privaten Krankenversicherung (PKV) in die GKV, z. B. im Zuge der Familienversicherung, hat der Gesetzgeber Beschränkungen vorgesehen, wodurch eine Versicherungspflicht in der GKV nach Vollendung des 55. Lebensjahres nicht zur Anwendung kommt. Diese ergeben sich aus § 6 Abs. 3a SGB V. Nach dem Willen des Gesetzgebers diene die Regelung einer klareren Abgrenzung zwischen GKV und PKV und soll die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten schützen. Das BAS habe sich in 2024 wiederholt mit Sachverhalten beschäftigt, die systematischen Rechtsmissbrauch vermuten ließen. Es bestanden Anhaltspunkte dafür, dass bislang in der PKV versicherte Personen über eine fingierte Erwerbstätigkeit im europäischen Ausland versucht hätten, ausländische gesetzliche Versicherungszeiten zu erwerben, um so Zugang zur deutschen GKV zu erhalten. Es sei Aufgabe der Krankenkassen, bei der Prüfung von Anträgen, die Anhaltspunkte für eine fingierte Erwerbstätigkeit aufweisen, besonders zu beachten und ggf. zu ermitteln, inwieweit die im Einzelfall angegebene Tätigkeit im europäischen Ausland tatsächlich auch ausgeübt wurde. Das BAS unterstütze die bundesunmittelbaren Krankenkassen im Bedarfsfall bei der Aufklärung und rechtskonformen Bearbeitung von Verdachtsfällen.

Eingaben Krankenversicherung

Der steigende Bedarf von Versicherten, Leistungserbringern, Arbeitgebern und Institutionen an einer neutralen Überprüfung durch das BAS halte weiter an. In 2024 seien die Eingaben im Vergleich zum Vorjahr um weitere 6 Prozent gestiegen.
© BAS
Leicht gestiegen sei dabei im Vergleich zu den Vorjahren auch die Zahl der Fälle, in denen das BAS ein zu beanstandendes Vorgehen der Krankenkassen erfasst hat. Die Quote aus Eingaben und Beanstandungen lag 2024 mit 19 Prozent über denen der Jahre 2022 und 2023.

Geordnet nach den Themenbereichen Leistungen, Mitgliedschaft und Beiträge, machen die Fragen zu Leistungen der GKV - wie das Krankengeld oder die Hilfsmittelversorgung - den überwiegenden Anteil aus. Gestiegen sei auch der Überprüfungsbedarf im Themenbereich Beiträge (+21 Prozent zum Vorjahr). Im Fokus hier: Fragen und Probleme im Zusammenhang mit rückständigen Beiträgen und Beitragszahlungen.

Eingaben Pflegeversicherung

Im Jahr 2024 haben sich Pflegebedürftige oder Pflegepersonen mit insgesamt 660 Eingaben (+9 Prozent zum Vorjahr) an das BAS gewandt. Zumindest einen Teil dieser Steigerung führt das BAS auf die steigende Zahl an Pflegebedürftigen zurück. Seit 2015 habe sich diese verdoppelt. Ende 2023 seien knapp 5,7 Millionen Menschen pflegebedürftig gewesen.

Inhaltlich betrafen die Eingaben neben leistungsrechtlichen Fragestellungen vor allem die Dauer der Verwaltungsverfahren bei der Zuordnung zu einem Pflegegrad sowie Probleme bei der Auszahlung der Leistungen (Pflegegeld, anteiliges Pflegegeld bei Kombinationsleistungen von Geld- und Sachleistungen). Auch die Inanspruchnahme von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sowie die Bewilligung und Auszahlung des Entlastungsbetrages waren regelmäßig Gegenstand der Eingaben. Die Eingaben zu häuslicher Pflege überwiegen, da entsprechend der Gesetzessystematik 86 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt werden (Vorrang der häuslichen Pflege).
Hintergrund: Feststellung der Pflegebedürftigkeit
Die Eingaben an das BAS beträfen oftmals zu lange Verwaltungsverfahren bei der Feststellung eines Pflegegrades sowie die Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Fristen. Das Gesetz sieht eine Frist von 25 Arbeitstagen zur Bearbeitung von Leistungsanträgen und in Eilfällen eine verkürzte Begutachtungsfrist für den Medizinischen Dienst (MD) von zehn bzw. fünf Arbeitstagen vor. Hat die Pflegekasse die Fristüberschreitung zu vertreten, sieht das Gesetz vor, dass der Antragsteller während der Wartezeit auf die Entscheidung der Pflegekasse für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich eine Zusatzzahlung von 70 Euro erhält.

Das BAS wirke in seiner Aufsichtspraxis auf die Einhaltung dieser Fristen und eine unverzügliche Zahlung der Zusatzzahlung von 70 Euro hin. Zudem konnten im Dialog mit einzelnen Pflegekassen Anpassungen des Verwaltungshandelns erreicht werden. Der Erlass eines Verpflichtungsbescheides sei in nur einem Fall erforderlich gewesen.


Widerspruchsverfahren

Der Prüfdienst des BAS hat in einer Vielzahl von Fällen festgestellt, dass gesetzliche Vorgaben zur Durchführung von Widerspruchsverfahren nicht eingehalten wurden. So würden Widersprüche nicht fristgerecht beschieden und bei erfolgreichen Widersprüchen fehlten Kostenhinweise. Statt Widersprüche zu bescheiden, wurden Versicherte kontaktiert und ohne vollständige Beratung über die Konsequenzen (z. B. Aufgabe der Klagemöglichkeit) zu einer Rücknahme des Widerspruchs befragt.

Fehlerhafte Familienfragebögen

Die bei der elektronische Umsetzung der Familienfragebögen identifizierten Fehler betrafen neben der revisionssicheren Archivierung der Dokumente auch die Vollständigkeit der abgefragten Daten sowie Fehlinterpretationen unterbliebener Eingaben.

Investitionsmanagement

Laut Report verfügten die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger zum
© BAS
Stichtag 31.12.2023 über insgesamt 87,6 Milliarden Euro an liquiden Mitteln, die zu 68 Prozent (ca. 60 Milliarden Euro) als Einlagen bei Kreditinstituten verwaltet wurden. 14,3 Milliarden Euro (16,3 Prozent) wurden in Wertpapiere (Direktinvestments) und 12,5 Milliarden Euro (14,2 Prozent) in Investmentvermögen angelegt. Der Rest (0,8 Milliarden Euro) entfiel auf sonstige Anlagen.

Weitere Themen des Reports

In seinem Report informiert das BAS zu zahlreichen weiteren Themen, teils aus der eigenen Verwaltung (downloadbar unter "Links zum Thema"). Die Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste in der Kranken- und Pflegeversicherung werden in den Folgejahren neben den Bestandsthemen wie der Verwaltung mehrerer Fonds durch das BAS weiter an Gewicht gewinnen:

Personal und Verwaltung des BAS

Gerichtsverfahren des BAS

Digitalisierung in der Sozialversicherung

*** Online-Angebote
Im Fokus des Reports steht hierzu der Zugang der Versicherten zu Online-Angeboten wie ePA, Krankenkassen-Apps und e-Rezept.

*** Cloud-Dienste
Das BAS beschäftige sich bereits seit einigen Jahren mit der Verarbeitung von Sozialdaten in der Microsoft-Cloud. Die Sozialversicherungsträger nutzten hierfür eine Sondervereinbarung mit Microsoft. Im Fokus des BAS stehe dabei die Einhaltung der besonderen Pflichten der Kassen in Bezug auf Serverstandorte und technische Anforderungen beim Einsatz von Cloud-Diensten (§ 393 SGB V) sowie die Möglichkeit zu Exit-Strategien und Alternativen. Auffällig sei, dass die Träger zunehmend keine Alternativen zum Wechsel in die Cloud sehen (z. B. bei SAP-Anwendungen). Das BAS stehe hierbei im regelmäßigen Austausch mit den Länderaufsichten.

*** Künstliche Intelligenz
Im Zuge der vermehrten Nutzung von Cloud-Diensten steige auch die Möglichkeiten der Nutzung von KI-Anwendungen in der Sozialversicherung. Dabei lege das BAS ein besonderes Augenmerk auf den Einsatz von KI innerhalb von Entscheidungsprozessen über Leistungen an Versicherte. Gerade hier seien Transparenz, Nichtdiskriminierung und Informationssicherheit besonders wichtig. Bislang soll KI regelmäßig nur in der Sachbearbeitung unterstützend eingesetzt werden. Das BAS geht jedoch davon aus, dass künftig auch Projekte zur vollautomatisierten Entscheidung durch KI relevant würden. Den Erhalt von Wissen bei den Mitarbeitenden und die menschliche Aufsichtsführung über die KI sieht das BAS dabei als große Herausforderung.

Informationen zur ePA
Das BAS hat anlässlich einiger Beschwerden von Versicherten, aber auch stichprobenhaft mehrere Informationsschreiben geprüft und dabei festgestellt, dass zum Teil wesentliche Informationen fehlten. So wurde etwa der Eindruck erweckt, dass der Widerspruch nur online eingelegt werden könne.

Gesundheitsfonds
Der Report stellt den Zahlungsverkehr, die Finanzergebnisse des Fonds sowie die Entwicklung der Beitragseinnahmen und -rückstände dar. Das Jahr 2024 hat der Gesundheitsfonds mit einem Defizit in Höhe von rund 3,7 Milliarden Euro abgeschlossen.

Tätigkeit des GKV-Schätzerkreises

Risikostrukturausgleich
Der Report erläutert das monatliche Abschlagsverfahren in 2024, den Jahresausgleich 2023, sowie die geplante Weiterentwicklung in 2025. Weitere Themen sind der Risikopool und die Zuweisungen für Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen.

Innovationsfonds

Krankenhausstrukturfonds & Krankenhauszukunftsfonds

Strukturierte Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programme, DMP)

Pflegeversicherung im Reformkontext

Der Report stellt die aktuelle Mittelverwendung und die angespannte Kassenlage im Kontext der zurückliegenden und aktuellen Reformen dar (vgl. hierzu auch "Links zum Thema").

Weitere Aufgaben des BAS

Der Report berichtet über die Tätigkeit des BAS in weiteren Bereichen, die nicht direkt der Kranken- oder Pflegeversicherung zuzuordnen sind. Hierzu gehören:

Tätigkeit in anderen SV-Zweigen
Modellprojekt Online-Sozialwahl
Aufbau der Bundesstelle für Soziale Entschädigung
Zuständige Stelle nach dem Berufsbildungsgesetz
Mutterschaftsgeldstelle


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