Die ePA ist da. Aber die Wenigsten nutzen sie.
Warum die elektronische Patientenakte an der Kommunikation scheitert - und was sich ändern muss
31.07.2025·Die elektronische Patientenakte (ePA) ist da. Theoretisch. Praktisch nutzen sie laut Krankenkassen aktuell weniger als drei Prozent der potenziell 70 Millionen Versicherten. Ein ernüchternder Wert. Nicht etwa, weil die Technik fehlt, sondern weil die Kommunikation versagt. Technologie ohne adressatengerechte Kommunikation ist wie ein Hightech-Zug ohne Fahrplan. Er steht bereit, aber niemand steigt ein.
Vom Verwaltungsakt zur Vertrauensfrage
Selbst Kassen, die stark in die Digitalisierung investieren, stoßen an Grenzen. Dies zeigen aktuelle Zahlen zur Aktivierung der ePA. Technik allein reicht also nicht. Erst wenn Versicherte den konkreten Mehrwert einer individuellen, relevanten und erlebbaren Kommunikation spüren, werden sie aktiv. Massenhafte Standardbriefe oder generische E-Mails hingegen verpuffen wirkungslos.
Die ePA ist mehr als ein digitales Archiv. Sie soll Gesundheitsdaten sicher, transparent und jederzeit verfügbar machen, für Versicherte ebenso wie für medizinisches Personal. Klingt gut. Doch statt Vertrauen zu schaffen, ruft sie Skepsis hervor. Warum? Weil Nutzen, Handhabung und Sicherheit nicht anschaulich und zielgruppengerecht erklärt werden.
Dabei zeigt sich gerade im Gesundheitswesen: Kommunikation ist keine Nebensache, sondern Voraussetzung für Akzeptanz. Vertrauen in neue Systeme entsteht durch Verständnis. Und Verständnis braucht Sprache, Kanäle und Dialog.
Kommunikation darf nicht an der App scheitern
Ein zentrales Problem: Die Nutzung der ePA ist aktuell eng an die jeweilige App der Krankenkasse gekoppelt. Wer diese App nicht installiert hat, bleibt oft außen vor. Das ist ein Denkfehler, der die Chance auf breite Akzeptanz massiv schmälert. Statt sich auf den App-Zugang zu fixieren, braucht es eine echte Omnikanal-Strategie, also Kommunikation, die jeden dort erreicht, wo er steht.
E-Mail-Kampagnen, SMS mit Links zu sicheren Landingpages, Messenger-Dienste, Social-Media-Formate, Video-Tutorials oder sogar Gamification-Ansätze können dabei helfen, Neugier zu wecken und Zugänge zu schaffen. Wer heute nur auf den Brief mit langer Postlaufzeit setzt, verschenkt Potenzial und riskiert, dass die Digitalisierung am Ende im Papierkorb landet.
Datenschutz ist kein Verhinderungsgrund
Häufig wird ins Feld geführt, dass Krankenkassen ihren Versicherten nur gesetzlich zulässige oder angeforderte Informationen übermitteln dürfen und die strengen Datenschutzvorgaben individualisierte Ansprache erschweren. Doch in Wahrheit bietet Datenschutz nicht nur Einschränkungen, sondern auch Chancen. Wer die Einwilligung seiner Versicherten aktiv einholt und transparent kommuniziert, welche Informationen wofür genutzt werden, kann sehr wohl zielgerichtet und personalisiert informieren.
Viele Versicherte akzeptieren hilfreiche Zusatzinformationen, wenn sie verstehen, dass diese nicht willkürlich sind, sondern auf ihrem Einverständnis basieren und ihren Alltag erleichtern. In der Praxis funktioniert das längst, etwa bei Arzt-Apps, die Befunde bereitstellen. Warum also nicht auch bei der ePA?
Ein weiteres Hindernis: Viele Daten, etwa aus ärztlichen Abrechnungen, liegen den Kassen erst mit erheblichem Zeitverzug vor. Doch dieser Umstand ist kein Grund, auf zeitgemäße Kommunikation zu verzichten. Es gibt zahlreiche Inhalte, die unabhängig von individuellen Gesundheitsdaten versendet werden können: praktische Nutzungstipps, Sicherheitsinformationen, Funktionsupdates oder allgemeine Hinweise zu neuen Services.
Gerade bei administrativen Prozessen wie der Aktualisierung von Familienversicherungsdaten ließe sich schon heute viel digitalisieren und gezielter kommunizieren. Entscheidend ist, Prozesse zu identifizieren, die sich für zeitnahe und anlassbezogene Kommunikation eignen.
Technologie, die kommunizieren kann
Wie also lässt sich das Vertrauen in die ePA aufbauen? Die Antwort liegt in einer Kommunikation, die Menschen dort erreicht, wo sie heute Informationen suchen und Entscheidungen treffen: auf dem Smartphone, in Apps, per Messenger oder per E-Mail. Digitale Informationskampagnen, die modular aufgebaut sind und sich individuell zuschneiden lassen, sind dabei ein Schlüssel.
Wer wissen möchte, wie die ePA im Alltag funktioniert, erhält interaktive Übersichten mit klarem Alltagsbezug. Wer Bedenken zum Datenschutz hat, bekommt einfach verständliche Erklärungen zur Datensicherheit. So werden Ängste abgebaut, Neugier geweckt und Nutzungsanreize geschaffen.
Kommunikationslösungen, die personalisierte, dialogorientierte Kommunikation über alle gängigen Kanäle hinweg ermöglichen, auch in hochregulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen, sorgen für Interaktion statt Einbahnstraße. Informationspakete, Benachrichtigungen über neue Funktionen oder datenschutzkonforme Einwilligungsprozesse lassen sich zentral, skalierbar und regelkonform steuern.
So wird aus einer rein technischen Möglichkeit wie der ePA ein gesellschaftlicher Nutzen, vorausgesetzt, die Kommunikation ist so individuell wie die Versicherten selbst.
Kommunikation als Infrastruktur denken
Der zentrale Punkt ist: Eine Lösung wie die ePA kann technisch noch so gut sein, wenn sie niemand nutzt, verfehlt sie ihren Zweck. Kommunikation ist kein nachgelagerter Service, sondern ein integraler Bestandteil digitaler Infrastruktur. Sie übersetzt technische Möglichkeiten in Alltagsnutzen. Sie erklärt, hört zu, baut Hürden ab und Vertrauen auf, wenn man es richtig macht.
Deshalb braucht es jetzt eine Kommunikationsstrategie, die informiert, motiviert und überzeugt. Nur so wird die ePA nicht nur verfügbar, sondern auch verstanden, gewollt und genutzt.
Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder. Jochen Razum ist Customer-Experience-Experte bei Smart Communications.
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