Wie krisentauglich sind unsere Krankenhäuser?
Gutachten zeigt große Lücken: DKG fordert nationale Strategie zur Stärkung der Resilienz
29.10.2025·Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat in Berlin eine umfangreiche Studie vorgestellt, die erhebliche Investitionen und zahlreiche politische Entscheidungen anmahnt, um die Krankenhäuser krisenresilient zu machen. Dies sei essentiell und existentiell für die nationale Daseinsvorsorge. Mit der Untersuchung hat die DKG das Institute for Health Care Business (hcb) und das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) beauftragt.
Untersuchte Szenarien: Cyberangriffe, Sabotageakte, Bündnisfall
Das Gutachten untersucht drei zentrale Szenarien: Cyberangriffe und Sabotageakte, den Bündnisfall, also die Verteidigung eines Nato-Mitglieds gegen einen Angriff einschließlich der Versorgung verletzter Soldaten aus Bündnisstaaten, sowie den Verteidigungsfall, also die direkte Verteidigung Deutschlands und die Behandlung eigener Verwundeter. Im Fokus der Analyse, so die DKG, stünden die erforderlichen Maßnahmen der Krankenhäuser zur Vorbereitung auf die unterschiedlichen Szenarien und die damit verbundenen Investitionen und die jährlichen Betriebskosten, die zur Umsetzung der notwendigen Maßnahmen anfallen würden. Diese betreffen die bauliche, technische und personelle Resilienz der Krankenhäuser. Dazu gehörten bauliche Anpassungen und der Ausbau geschützter Räume, eine sichere Energieversorgung, IT- und Kommunikationssicherheit sowie der Schutz der Infrastruktur durch Sicherheitsdienste. Ebenso gehe es um die personelle Vorbereitung, also zusätzliche Schulungen und Fortbildungen, insbesondere für chirurgisches und traumatologisches Personal.
Gutachten benennt Finanzbedarf in Milliardenhöhe
Die Ergebnisse des Gutachtens sind eindrucksvoll: Allein um die Resilienz im Fall von Cyberangriffen und Sabotage herzustellen, würden rund 2,7 Milliarden Euro benötigt. Im Bündnisfall liege der Investitionsbedarf bei 4,9 Milliarden Euro und im Verteidigungsfall bei 14 bis 15 Milliarden Euro. Klar sei, dass diese Maßnahmen nicht kurzfristig umgesetzt werden könnten. Es brauche Priorisierung und einen klaren Stufenplan, um bis 2027 wesentliche Fortschritte zu erzielen.
"Unsere Analysen zeigen, dass deutsche Krankenhäuser in ihrer derzeitigen Struktur nur eingeschränkt krisen- und verteidigungsfähig sind", sagt DKI-Vorstand Dr. Karl Blum. "In fünf zentralen Bereichen - Personal, Cybersicherheit, physische Sicherheit, Lagerhaltung für medizinische Vorräte und Vorbereitung auf biologische, chemische und nukleare Bedrohungen - bestehen erhebliche Schwächen. Aktuelle Krankenhausalarm- und Einsatzpläne decken zwar zivile Katastrophen ab. Es fehlt aber an Konzepten für militärische Bedrohungen mit klaren Zuständigkeiten und ausreichender Finanzierung", so Blum.
Kurzfristig müssen in allen Szenarien vor allem die IT- und Kommunikationssicherheit verbessert sowie der direkte Schutz der Krankenhäuser durch Sicherheitsdienste und Objektschutz gewährleistet werden. Ebenso dringend erforderlich ist der Aufbau personeller Resilienz durch gezielte Fortbildungen und die Nutzung geschützter Arbeits- und Behandlungsräume. Langfristig müssen auch bauliche Konzepte mitgedacht werden, etwa der Neubau von Krankenhäusern mit geschützten unterirdischen Operationsbereichen, wie sie beispielsweise in Finnland bereits existieren. "Allerdings brauchen diese baulichen Maßnahmen viel mehr Zeit zu ihrer Umsetzung. Daher ist auch hier ein Start in naher Zukunft geboten", so hcb-Geschäftsführer Prof. Boris Augurzky. "Zudem müssen wir das Bauen grundsätzlich deutlich beschleunigen. Ein Aggressor wartet nicht ab, bis wir die Unmenge an Bauvorschriften geprüft haben." Augurzky empfiehlt als Vorbild das LNG-Beschleunigungsgesetz.
DKG: Resilienz muss Teil der Krankenhausplanung sein
"Resilienz und Sicherheit müssen zu festen Bestandteilen der Krankenhausplanung werden, die aktuell in allen 16 Bundesländern ansteht. Sie sind ein essentieller und existentieller Teil der nationalen Daseinsvorsorge", sagt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. Diese Investitionen und Maßnahmen können und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Sie müssen integraler Bestandteil der Krankenhausreform und des damit verbundenen Strukturwandels sein. Während die Anforderungen an Krankenhäuser stetig steigen, stehen aktuelle Sparmaßnahmen und Fehlanreize - etwa die Streichung der Mehrbegünstigungsklausel oder die unausgereifte Vorhaltefinanzierung - im Widerspruch zu der dringend notwendigen Sicherheitsstrategie. "Wir brauchen Verlässlichkeit und endlich einen gesamtgesellschaftlichen und finanziell hinterlegten Plan zur Stärkung der Krankenhausresilienz. Das unkontrollierte Krankenhaussterben darf nicht weiter befördert werden", fordert Gaß.
- Studie zum Download auf dkg.de (PDF, 1.8 MB)
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