Den Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 194,7 Milliarden Euro (+4,0 Prozent) standen im 1. bis 3. Quartal Ausgaben von rund 196,3 Milliarden Euro (+4,2 Prozent) gegenüber. Die Finanzreserven sanken seit Ende Juni 2020 von 20,8 auf 17,8 Milliarden Euro. Sie entsprachen damit Ende September 2020 noch 0,81 Monatsausgaben. Die gesetzliche Mindestrücklage beträgt 0,2 Monatsausgaben. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz liegt aktuell bei 1,0 Prozent.
Geprägt ist die aktuelle Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) insbesondere durch Belastungen der Corona-Pandemie. Zu Buche schlagen dabei auch gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die über die GKV finanziert werden. Die hierfür vom Bund zugesagte Erstattung wird auf breiter Front als zu gering kritisiert. Eine höhere Beteiligung fordern vor allem der Bundesrat, die Krankenkassen, Gewerkschaften und Verbraucherverbände (vgl. "Links zum Thema").
Finanzentwicklung nach KassenartenBis auf die landwirtschaftliche Krankenversicherung, die einen Überschuss von rund 45 Millionen Euro erzielte, verbuchten alle Krankenkassenarten im 1. bis 3. Quartal Defizite: die Ersatzkassen erzielten ein Minus von 280 Millionen Euro, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) von 1,09 Milliarden Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 95 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 156 Millionen Euro und die Knappschaft von 101 Millionen Euro.
Ergebnis des GesundheitsfondsDer Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15.01.2020 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 10,2 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. bis 3. Quartal 2020 ein Defizit von rund 5,1 Milliarden Euro. Dieses Defizit ist nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) neben saisonalen Effekten maßgeblich auf konjunkturbedingte Mindereinnahmen sowie auf "Ausgleichszahlungen an Leistungserbringer" zurück zu führen. So wurden im Zuge der Pandemie bis Ende September insgesamt rund 10,5 Milliarden Euro als Ausgleichszahlungen für freigehaltene Krankenhausbetten sowie zum Ausgleich von Belegungsrückgängen von Vorsorge - und Rehabilitationseinrichtungen, den Ausbau von Intensivbetten, sowie zum Ausgleich von Einkommenseinbußen für Heilmittelerbringer und die Zuschüsse für Sozialdienstleister aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlt. Der Bund hat als Kompensation für die Ausgleichszahlungen aufgrund von Belegungsrückgängen in Krankenhäusern für das 1. bis 3. Quartal rund 8,8 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds erstattet.
Der Zuwachs der Beitragseinahmen blieb mit lediglich 2,1 Prozent erheblich hinter den Veränderungsraten der Vorjahre mit durchschnittlich deutlich über vier Prozent zurück. Der Bund hat die Einnahmen des Gesundheitsfonds durch einen ergänzenden Bundeszuschuss in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in der zweiten Jahreshälfte 2020 gestützt.
Entwicklungen bei den AusgabenBei den Krankenkassen gab es bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent im 1. bis 3. Quartal einen absoluten Ausgabenzuwachs für Leistungen und Verwaltungskosten von 4,2 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um knapp 4,2 Prozent, die Verwaltungskosten um 5,8 Prozent.
Bei der Interpretation der Daten des 1. bis 3. Quartal sei nach Angaben des BMG grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen von Schätzverpflichtungen geprägt sind. Abrechnungsdaten lägen häufig noch nicht oder nur teilweise vor. Dies gelte insbesondere im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung.
Nach Einschätzung des BMG spiegelt die Beschleunigung des Ausgabenanstiegs im 3. Quartal nach einem Rückgang im isolierten 2. Quartal vor allem eine wieder erhöhte Inanspruchnahme von Leistungen in verschiedenen Leistungsbereichen in den Sommermonaten wieder. Nach der deutlichen Steigerung der Corona-Fallzahlen seit Mitte Oktober und dem damit verbundenen erneuten teilweisen Lockdown müsse erneut mit einer rückläufigen Leistungsinanspruchnahme außerhalb der Versorgung von Covid-19-Patienten gerechnet werden.
Ausgabenentwicklung in einzelnen LeistungsbereichenAmbulante Behandlung
Nach einem Ausgabenrückgang im 2. Quartal ist es im 3. Quartal im Zuge einer Normalisierung des Leistungsgeschehens - teilweise verbunden mit erwartbaren "Nachholeffekten" - wieder zu steigenden Ausgaben gekommen. Das gilt insbesondere für den Bereich der ärztlichen Behandlung, deren Zuwachs nach einem Anstieg von 4,5 Prozent im 1. Halbjahr auf 7,4 Prozent für das 1. bis 3. Quartal gestiegen ist. Da für das 2. und 3. Quartal noch keine Abrechnungsdaten der Ärzte vorliegen, sind diese Veränderungsraten von Einschätzungen der Krankenkassen geprägt. Im Bereich der zahnärztlichen Behandlung gingen die Ausgaben von Januar bis September 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,4 Prozent zurück. Die Ausgaben für Zahnersatz sanken um 7,2 Prozent.
Stationäre Behandlung
Bei den Krankenhausausgaben, die im 1. Halbjahr noch um 2,4 Prozent zurückgingen, verbuchten die Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal einen Anstieg von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei, so das BMG, sei zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser bis Ende September rund 8,8 Milliarden Euro für freigehaltene Betten erhielten.
Arzneimittel
Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen im 1. bis 3. Quartal um 6,1 Prozent. Hier haben sich die Ausgabenzuwächse im Jahresverlauf abgeflacht. Dabei führt auch die Absenkung der Mehrwertsteuer in der zweiten Jahreshälfte zu Entlastungen.
Krankengeld
Zweistellige Zuwachsraten gab es hingegen weiterhin bei den Krankengeldausgaben, die einen Anstieg von 12 Prozent verzeichneten. Im Vergleich zum Halbjahr mit einem Plus von mehr als 14 Prozent ist hier jedoch ein rückläufiger Trend zu beobachten.
Prävention, Rehabilitation
Ausgabenrückgänge gab es im 1. bis 3. Quartal 2020 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum bei Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (-15,2 Prozent) sowie Früherkennungsmaßnahmen (-2,2 Prozent).
Verwaltungskosten der KrankenkassenDer im Vergleich zu den gesamten Leistungsausgaben überproportionale Zuwachs bei Verwaltungskosten der Krankenkassen von 5,8 Prozent ist zum Teil auf eine erhöhte Bildung von Altersrückstellungen bei einzelnen Krankenkassen zurückzuführen. Auffällig sind im Kassenartenvergleich insbesondere hohe Ausgabensteigerungen bei den AOKn sowie der Knappschaft.
Weitere EntwicklungDie vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2020 werden Anfang März 2021 vorliegen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Frühjahr 2020 ist laut BMG davon auszugehen, dass es in der laufenden zweiten Corona-Welle wieder zu deutlichen Entlastungseffekten auf der Ausgabenseite der Krankenkassen kommen wird, die auch im ersten Quartal 2021 anhalten könnten.