Gesetzliche Krankenkassen unterliegen bei ihrer Werbetätigkeit gewissen Grenzen. Die für alle Unternehmen geltenden Verhaltensmaßstäbe des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) werden im Fall der Krankenkassen ergänzt und überlagert durch besondere öffentlich-rechtliche Bindungen, die sich aus den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts ergeben. Hiernach haben sachbezogene Information im Vordergrund zu stehen. Zudem ist bei der Werbung eine Form einzuhalten, die mit der Eigenschaft der Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Aufgaben vereinbar ist. Werbeausgaben von Krankenkassen stammen - anders als bei gewerblichen Unternehmen - aus den (Pflicht-)Beiträgen der gesetzlich krankenversicherten Mitglieder.
Bisherige "Wettbewerbsgrundsätze" nicht bindendDer gesetzlich abgesteckte Ordnungsrahmen des Kassenwettbewerbs beschränkt sich nach Einschätzung des BMG auf einige wesentliche Prinzipien, die der Konkretisierung im Einzelfall bedürfen. Um eine einheitliche aufsichtsrechtliche Handhabung im Bereich wettbewerbsrelevanter Maßnahmen sicherzustellen, haben sich die Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf sogenannte "Gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze" verständigt. Als "Verwaltungsbinnenrecht" seien diese jedoch für die Kassen nicht unmittelbar rechtsverbindlich. Das Sozialgesetzbuch (SGB) ermächtige deshalb das BMG zur Regelung der Zulässigkeit von Werbemaßnahmen durch Rechtsverordnung.
Bundesweit verbindliche Rechtsverordnung geplantMit dem am 02.12.2020 vom BMG vorgelegten Entwurf einer "Verordnung zur Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der Krankenkassen" (KKWerbeV) soll eine bundeseinheitliche verbindliche Grundlage für Werbemaßnahmen der Krankenkassen geschaffen werden. Ausgangspunkt für die Verordnung bilden die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden, welche zu einem großen Teil in die Verordnung übernommen wurden. So werde insbesondere der etablierten Aufsichtspraxis hinsichtlich der Höchstgrenzen für Werbeausgaben und Vergütungen von zur Mitgliederwerbung eingeschalteten Dritten oder hinsichtlich des Verbots von Wechsel- und Halteprämien Rechnung getragen.
Millionenschweres Sponsoring im ProfisportVor dem Aus stehen würde nach dem Entwurf der KKWerbeV insbesondere die Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport. Werbemaßnahmen von Krankenkassen im Rahmen von Sportveranstaltungen wären nur noch zulässig, wenn die Information über die Leistungen der Kasse im Vordergrund steht oder die Veranstaltung der Durchführung einer gezielten Präventionsmaßnahme dient.
Betroffen hiervon wäre insbesondere die AOK. Sie ist bei den deutschen Handballern Brustsponsor und nach Informationen des Deutschlandfunks zudem bei acht Klubs im Profifußball wie Dortmund und Mönchengladbach engagiert. Das Sponsoring der AOK beim Deutschen Handballbund (DHB) beläuft sich demnach auf rund 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Das gesamte Engagement im Fußball koste die AOK jährlich 3,2 Millionen Euro.
Spahn scheitert mit Reorganisation des AOK-SystemsDie Verordnung steht auch im Zeichen des im Februar 2020 vom Bundestag beschlossenen "Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV-FKG). Mit dem Gesetz hatte Spahn zunächst die bundesweite Öffnung der aktuell elf regional tätigen AOKn geplant. Durch die Öffnung wäre das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als einheitliche Aufsichtsbehörde für alle AOKn zuständig geworden. Nach starkem Widerstand der Ortskrankenkassen und der Bundesländer zog Spahn den Plan zurück (vgl. "Links zum Thema"). Die AOKn verblieben im Aufsichtsbereich der Länder, die damit ihren Einfluss auf das Handeln der Kassenart sichern konnten.
Was geblieben ist, sind Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen durch unterschiedliche Aufsichtspraktiken. Mit der Verordnung will Spahn in diesem Bereich nun klare bundeseinheitliche Regelungen über die verschiedenen Aufsichtszuständigkeiten hinweg schaffen. Eine Hürde dabei ist jedoch, dass die Verordnung nach §4 Abs.4 Satz 1 SGB V unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Bundesrat steht. Die Länder müssten also, wie schon Anfang 2020 von Spahn angedacht, einen Teil ihres Gestaltungspielraumes aufgeben.
