GKV-FinanzKommission startet

Am Kernproblem vorbei: Was man bereits aus dem Arbeitsauftrag der Ministerin ablesen kann

29.09.2025·Die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eingesetzte FinanzKommission Gesundheit (FKG) hat sich konstituiert und auf einen Arbeitsplan zur Erfüllung des vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgegebenen Auftrags verständigt. Geschickt nimmt sich der Bund hierbei weiterhin aus der Finanzverantwortung für die von ihm beauftragten gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung.

In ihrer ersten Sitzung der Kommission verständigten sich die Mitglieder am 24.09.2025 in Berlin auf das weitere Vorgehen. Ende März 2026 soll die Kommission laut Arbeitsauftrag der Ministerin Vorschläge unterbreiten, um die Krankenversicherungsbeiträge ab 2027 ohne Beitragserhöhungen zu stabilisieren. Hierbei sollen im Koalitionsvertrag geplante Vorhaben auf ihre Finanzwirkung untersucht und Kostentreiber in einzelnen Leistungsbereichen identifiziert werden. Bis Ende 2026 soll die Kommission dann weitere Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung der GKV-Finanzen vorlegen. Zum Vorsitzenden der Kommission wurde Prof. Wolfgang Greiner (Professor für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement, Universität Bielefeld) gewählt. Prof. Ferdinand Gerlach (Professor für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt/Main) und Prof. Leonie Sundmacher (Professorin für Gesundheitsökonomie, TU München) wurden als Stellvertretende gewählt.

"Die Aufgaben der Kommission könnten kaum größer sein", betont Gesundheitsministerin Warken: "Die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung befinden sich in einer massiven Schieflage. Wir brauchen Reformen, die bis Ende des kommenden Jahres ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe ausgleichen und anschließend das gesamte System nachhaltig wieder auf ein solides Fundament setzen."

"Massive Schieflage" politisch hausgemacht

Die laut Ministerin "massive Schieflage" der GKV-Finanzen hat sich seit Jahren angekündigt und Ende 2024 mit einem Defizit von 6,6 Milliarden Euro manifestiert. Reformen zur Gegensteuerung wurden von Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zwar regelmäßig angekündigt, nicht aber umgesetzt. Jahrelang wurden die Krankenkassen zudem durch die ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach zum Abbau ihrer einst über 20 Milliarden Euro schweren Rücklagen gezwungen, sodass die aktuell dynamische Kostenentwicklung nahezu ungebremst auf den Beitragssatz der Kassen durchschlägt. Auch zur Amtszeit von Ministerin Warken haben die Krankenkassen und ihre Verbände eindringlich auf die Finanzsituation in der Kranken- und Pflegeversicherung hingewiesen. Vorgelegt haben sie hierzu direkt umsetzbare Konzepte zur Ausgabenbegrenzung (vgl. "Links zum Thema"). Ein Schwergewicht bei der Schieflage ist jedoch die Verschiebung von staatlichen Aufgaben auf die Beitragszahler der Krankenkassen. So sieht der Staat z. B. eine Krankenversicherung für Bürgergeldempfangende vor, für die er jedoch keine ausreichenden Beiträge an die Krankenkassen zahlt. Alleine hier fehlen den Kassen jährlich rund 10 Milliarden Euro. Eine entsprechende Klage gegen die Bundesrepublik wird derzeit beim GKV-Spitzenverband vorbereitet (vgl. "Links zum Thema").

Der Arbeitsauftrag an die FinanzKommission

Der Arbeitsauftrag an die FKG umfasst zwei Berichte. Der zweite Bericht (Strukturreformen) ist Ende Dezember 2026 vorzulegen. Schneller soll es mit dem ersten Bericht gehen. Er soll bereits Ende März 2026 vorliegen und folgende Arbeitspakete beinhalten:

Vorlage einer kurzfristigen Prognose (bis 2030) für die GKV-Finanzentwicklung einschließlich einer Bewertung der Finanzwirkungen der im Koalitionsvertrag geplanten Vorhaben (u. a. Primärarztsystem, Notfall- und Rettungsdienstreform) und einer Quantifizierung der Finanzierungslücken ab 2027 bzw. der notwendigen Konsolidierungsbeträge für stabile Beitragssätze.
Identifizierung maßgeblicher Kostentreiber (u. a. Anreizsysteme und Vergütungsmechanismen) in den einzelnen Leistungsbereichen sowie Ineffizienzen auf der Ausgabenseite und Analyse der Herausforderungen und Probleme auf der Einnahmenseite.
Erarbeitung konkreter und kurzfristig finanzwirksamer Maßnahmen für Beitragssatzstabilität ab 2027 inkl. Quantifizierung der Kostenwirkung. Hierbei, heißt es im Auftrag, "ist zu berücksichtigen, dass die Reformvorschläge kurzfristig gesetzlich umsetzbar sind und in ihrem finanziellen Volumen so modelliert werden können, dass dem Gesetzgeber Handlungsspielraum hinsichtlich der konkreten Auswahl aus den Reformvorschlägen verbleiben. Zudem sollten die vorgeschlagenen Maßnahmen das gesamte Spektrum der zur strukturellen Deckungslücke beitragenden Bereiche adressieren."

Bei der Erarbeitung der Berichte soll die FKG vorgegebene Leitfragen und Hinweise berücksichtigen. Im Bereich "Herausforderungen und Reformvorschläge auf der Systemebene" gehören dazu:

Inwiefern können die Organisationsstrukturen der GKV hinsichtlich einer effizienteren Mittelverwendung weiterentwickelt werden?
Wie kann der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gestärkt und durch Straffung von Strukturen und (Aufsichts-)Zuständigkeiten Effizienzpotenziale erschlossen werden? Wie können größere Wahlfreiheiten bei Leistungen und Preisen zu einem effizienteren Mitteleinsatz beitragen?
Wie kann der Wettbewerb an der Grenze von gesetzlicher und privater Krankenversicherung gestärkt werden?
Welchen Beitrag können Risikostrukturausgleiche zwischen GKV und PKV zur Konsolidierung leisten? Sind hier rechtliche Grenzen zu berücksichtigen?

Das wichtigste Thema fehlt im Arbeitsauftrag

Schon die Aufgabestellung und die der FKG vorgegebenen Leitfragen klammern indirekt das wichtigste Thema aus - die Finanzverantwortung des Staates für Aufgaben, die er in die Kranken- und Pflegeversicherung auslagert, um sie nicht aus Steuergeldern finanzieren zu müssen. Diese "versicherungsfremden Leistungen" erreichen inzwischen jährlich ein Volumen von bis zu 60 Milliarden Euro (vgl. "Links zum Thema"). Würde der Staat hier ordnungspolitisch richtig handeln und diese Auftragsleistungen erstatten, gäbe es aktuell kein Finanzierungsproblem in der GKV. Der Beitragssatz könnte im Mittel um etwa 3 Prozentpunkte gesenkt werden. Was bliebe, wäre die anhaltend dynamische Kostenentwicklung. Diese müsste über strukturelle Reformen eingefangen werden. Vorschläge liegen hierzu bereits vor (vgl. "Einnahmen- statt Ausgabenorientierung" unter "Links zum Thema").

Um zu verhindern, dass sich das Thema "versicherungsfremde Leistungen" in den Berichten der FKG wiederfindet, sieht der Auftrag entsprechende Begrenzungen vor. Während Ausgabenbereiche, Vergütungsbereiche, der Wettbewerb unter Kassen bis hin zu Steigerungsmöglichkeiten der Einnahmen direkt oder indirekt benannt werden, riegelt der Auftrag dort ab, wo der Bund in die Verantwortung käme. So fehlt eine Quantifizierung der vom Staat für versicherungsfremde Leistungen zu erstattenden Mittel. Selbst die Bewertung der Finanzwirkungen im Rahmen der Prognose bis 2030 ist auf die im Koalitionsvertrag geplanten Vorhaben begrenzt. Gegen alle Ankündigungen haben CDU/CSU und SPD jedoch auf die Aufnahme einer kostendeckenden Erstattung dieser Leistungen im Koalitionsvertrag verzichtet. Entsprechende Kritik kam schon im April 2025 von den Krankenkassen: "Vor allem die Frage, wann der Bund endlich seiner Verantwortung für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Beziehenden und weiterer versicherungsfremder Leistungen angemessen nachkommt, bleibt weiterhin unbeantwortet", so der AOK-Bundesverband.

Ergänzung (30.09.2025): Vor dem Hintergrund der akuell laufenden zweitägigen Kabinettsklausur der Bundesregierung in Berlin richtet zudem nochmals die gemeinsame Selbstverwaltung von GKV und KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) einen Appell an die Bundesregierung, versicherungsfremde Leistungen konsequent aus der Beitragsfinanzierung zu streichen:



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