GKV-FinanzKommission startet
Am Kernproblem vorbei: Was man bereits aus dem Arbeitsauftrag der Ministerin ablesen kann
29.09.2025·Die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eingesetzte FinanzKommission Gesundheit (FKG) hat sich konstituiert und auf einen Arbeitsplan zur Erfüllung des vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgegebenen Auftrags verständigt. Geschickt nimmt sich der Bund hierbei weiterhin aus der Finanzverantwortung für die von ihm beauftragten gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung.
"Die Aufgaben der Kommission könnten kaum größer sein", betont Gesundheitsministerin Warken: "Die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung befinden sich in einer massiven Schieflage. Wir brauchen Reformen, die bis Ende des kommenden Jahres ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe ausgleichen und anschließend das gesamte System nachhaltig wieder auf ein solides Fundament setzen."
"Massive Schieflage" politisch hausgemacht
Die laut Ministerin "massive Schieflage" der GKV-Finanzen hat sich seit Jahren angekündigt und Ende 2024 mit einem Defizit von 6,6 Milliarden Euro manifestiert. Reformen zur Gegensteuerung wurden von Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zwar regelmäßig angekündigt, nicht aber umgesetzt. Jahrelang wurden die Krankenkassen zudem durch die ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach zum Abbau ihrer einst über 20 Milliarden Euro schweren Rücklagen gezwungen, sodass die aktuell dynamische Kostenentwicklung nahezu ungebremst auf den Beitragssatz der Kassen durchschlägt. Auch zur Amtszeit von Ministerin Warken haben die Krankenkassen und ihre Verbände eindringlich auf die Finanzsituation in der Kranken- und Pflegeversicherung hingewiesen. Vorgelegt haben sie hierzu direkt umsetzbare Konzepte zur Ausgabenbegrenzung (vgl. "Links zum Thema"). Ein Schwergewicht bei der Schieflage ist jedoch die Verschiebung von staatlichen Aufgaben auf die Beitragszahler der Krankenkassen. So sieht der Staat z. B. eine Krankenversicherung für Bürgergeldempfangende vor, für die er jedoch keine ausreichenden Beiträge an die Krankenkassen zahlt. Alleine hier fehlen den Kassen jährlich rund 10 Milliarden Euro. Eine entsprechende Klage gegen die Bundesrepublik wird derzeit beim GKV-Spitzenverband vorbereitet (vgl. "Links zum Thema").
Der Arbeitsauftrag an die FinanzKommission
Der Arbeitsauftrag an die FKG umfasst zwei Berichte. Der zweite Bericht (Strukturreformen) ist Ende Dezember 2026 vorzulegen. Schneller soll es mit dem ersten Bericht gehen. Er soll bereits Ende März 2026 vorliegen und folgende Arbeitspakete beinhalten:
Bei der Erarbeitung der Berichte soll die FKG vorgegebene Leitfragen und Hinweise berücksichtigen. Im Bereich "Herausforderungen und Reformvorschläge auf der Systemebene" gehören dazu:
Das wichtigste Thema fehlt im Arbeitsauftrag
Schon die Aufgabestellung und die der FKG vorgegebenen Leitfragen klammern indirekt das wichtigste Thema aus - die Finanzverantwortung des Staates für Aufgaben, die er in die Kranken- und Pflegeversicherung auslagert, um sie nicht aus Steuergeldern finanzieren zu müssen. Diese "versicherungsfremden Leistungen" erreichen inzwischen jährlich ein Volumen von bis zu 60 Milliarden Euro (vgl. "Links zum Thema"). Würde der Staat hier ordnungspolitisch richtig handeln und diese Auftragsleistungen erstatten, gäbe es aktuell kein Finanzierungsproblem in der GKV. Der Beitragssatz könnte im Mittel um etwa 3 Prozentpunkte gesenkt werden. Was bliebe, wäre die anhaltend dynamische Kostenentwicklung. Diese müsste über strukturelle Reformen eingefangen werden. Vorschläge liegen hierzu bereits vor (vgl. "Einnahmen- statt Ausgabenorientierung" unter "Links zum Thema").
Um zu verhindern, dass sich das Thema "versicherungsfremde Leistungen" in den Berichten der FKG wiederfindet, sieht der Auftrag entsprechende Begrenzungen vor. Während Ausgabenbereiche, Vergütungsbereiche, der Wettbewerb unter Kassen bis hin zu Steigerungsmöglichkeiten der Einnahmen direkt oder indirekt benannt werden, riegelt der Auftrag dort ab, wo der Bund in die Verantwortung käme. So fehlt eine Quantifizierung der vom Staat für versicherungsfremde Leistungen zu erstattenden Mittel. Selbst die Bewertung der Finanzwirkungen im Rahmen der Prognose bis 2030 ist auf die im Koalitionsvertrag geplanten Vorhaben begrenzt. Gegen alle Ankündigungen haben CDU/CSU und SPD jedoch auf die Aufnahme einer kostendeckenden Erstattung dieser Leistungen im Koalitionsvertrag verzichtet. Entsprechende Kritik kam schon im April 2025 von den Krankenkassen: "Vor allem die Frage, wann der Bund endlich seiner Verantwortung für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Beziehenden und weiterer versicherungsfremder Leistungen angemessen nachkommt, bleibt weiterhin unbeantwortet", so der AOK-Bundesverband.
Ergänzung (30.09.2025): Vor dem Hintergrund der akuell laufenden zweitägigen Kabinettsklausur der Bundesregierung in Berlin richtet zudem nochmals die gemeinsame Selbstverwaltung von GKV und KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) einen Appell an die Bundesregierung, versicherungsfremde Leistungen konsequent aus der Beitragsfinanzierung zu streichen:
- Studie zur Finanzierung der GKV fordert Einnahmen- statt Ausgabenorientierung bei Reformen
- GKV-Spitzenverband / FinanzKommission Gesundheit kann Sofortmaßnahmen nicht ersetzen
- GKV-Spitzenverband / Geplante Darlehen für GKV und Pflegeversicherung sind keine Lösung
- Krankenkassen fordern Vorschaltgesetz für Ausgabenmoratorium
- TK-Sofortprogramm könnte GKV um Milliarden Euro entlasten
- Fehlender Ausgleich für versicherungsfemde Leistungen / Krankenkassen verklagen Bund auf 10 Milliarden Euro
- Studie: Versicherungsfremde Leistungen erreichen 60 Milliarden Euro
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